KI und Quantencomputing
In der Informatik ist eine neue Ära angebrochen: die der Quanteninformation. Geräte für die Quanteninformationsverarbeitung sind nun kommerziell verfügbar und stellen Physiker und Informationstheoretiker vor grundlegende Herausforderungen: Wie lässt sich die enorme Rechenpower von Quantencomputern in der Praxis nutzen? Das wollen Wissenschaftler des L3S in neuen Forschungsprojekten herausfinden. Sie nutzen ihre jahrzehntelange Erfahrung in der Entwicklung von Quantenalgorithmen und des maschinellen Lernens, um Architekturen für neuronale Netze auf Quantenbasis zu entwickeln. Diese Netze sollen routinemäßig verbesserte Quantenberechnungsmethoden entdecken – vor allem für industrielle Anwendungen, bei denen komplexe Quantensysteme zum Einsatz kommen, zum Beispiel bei der Entwicklung von Medikamenten und in der Materialforschung.
Industrielle Prozesse optimieren
Die Produktion von Mikrochips und modernen Fahrzeugen beruht auf hochkomplexen industriellen Prozessen. Selbst kleine Verbesserungen des Produktionsprozesses haben dabei enorme gesamtwirtschaftliche Auswirkungen. Die im Zusammenhang
mit den Produktionsprozessen teilweise auftretenden Optimierungsprobleme können von klassischen Rechnern nicht innerhalb einer für die wirtschaftliche Praxis erforderlichen Zeit optimal gelöst werden (sogenannte NP-schwere Probleme).
Die zu erwartende Leistungsfähigkeit von Quantencomputern legt nahe, dass Quantenalgorithmen als leistungsstarke Werkzeuge für die kombinatorische Optimierung eingesetzt werden können. Die Entscheidung, wann dies der Fall ist, ist für industrielle Nutzer von großer Bedeutung. In der Praxis ist diese Entscheidung aber schwierig zu treffen, da sie entscheidend von den Problemdetails, den Fähigkeiten der Quantencomputer-Hardware und von der Leistungsfähigkeit konkurrierender klassischer Ansätze abhängt. Aus diesem Grund erfordert eine aussagekräftige Analyse notwendigerweise eine enge Zusammenarbeit von Experten aus den Bereichen Quanteninformation, klassische deterministische Algorithmen, maschinelles Lernen und Software-Engineering sowie industriellen Problemlösern.
Das Ziel von QuBRA ist es, ein solches breites Konsortium von Expertinnen und Experten zusammenzubringen, um das Ausmaß des praktischen Quantenvorteils für die kombinatorische Optimierung von NP-schweren Problemen quantitativ zu erfassen – eine Frage, die derzeit kaum verstanden, aber für industrielle Anwendungen von großer Bedeutung ist. Gemeinsam mit der Infineon Technologies AG und der Volkswagen AG erforschen die Experten für Quantencomputer nutzbare Methoden, mit denen die Unternehmen Optimierungsprobleme praktisch angehen können.
Quantencomputing für die Wirtschaft
Im Projekt ProvideQ kooperieren weltweit führende Logistik-Dienstleister mit Experten aus den Bereichen Software- und Algorithm-Engineering, Optimierungstheorie und Quanteninformation. Gemeinsam entwickeln sie neue Konzepte und Methoden für den Brückenschlag zwischen industriellen Anwendungen und Anforderungen einerseits und der praktischen Nutzung innovativer Quantencomputer andererseits. Dabei bindet das Projekt Anbieter algorithmischer Dienstleistungen ein, um diese für das Quantenzeitalter bereit zu machen. Das Ziel ist, durch ihre Multiplikatorwirkung größere Bereiche der deutschen Wirtschaft von Vorteilen des Quanten-Computing (QC) profitieren zu lassen.
Die Komplexität vieler für die Industrie relevanter Optimierungsprobleme bringt selbst klassische Hochleistungsrechner schnell an ihre Grenzen. Insbesondere für zahlreiche praktische Probleme der Logistik stellt dies ein Hindernis für die effiziente Ressourcennutzung dar. Es existieren zwar bereits ganze Bibliotheken von spezialisierten Optimierungsalgorithmen, die, wenn richtig eingesetzt, massive Effizienzgewinne erzielen können. Allerdings stehen industrielle Nutzer vor der Herausforderung, dass sie zwar die Optimierungsprobleme in ihren Betriebsabläufen im Detail verstehen, die hochgradig komplexe Landschaft von spezialisierten Algorithmen aber nicht in ihre Kernkompetenz fällt. Hinzu kommt, dass solche Nutzer unzureichende Kenntnisse über die Potenziale und Einsetzbarkeit von Quantencomputern haben. Diese Lücke bedienen algorithmische Dienstleister, die mit Hilfe der ProvideQ Toolbox befähigt werden sollen, passende Quantenalgorithmen für geeignete Problemklassen anzubieten.
Um Anbieter algorithmischer Dienstleistungen für das Quantenzeitalter bereit zu machen, setzt das Projekt ProvideQ auf zwei Ebenen an.
1. Die bestehenden Modellierungssysteme zweier in das Projekt eingebundener Dienstleister sollen um eine Quantentoolbox erweitert werden. So kann eine breite Gruppe von Anwendern ihre Probleme in einer domänenspezifischen Sprache beschreiben, für die dann Lösungsstrategien gefunden werden, die auf Quantencomputern oder kombiniert auf Quanten- und klassischen Computern umgesetzt werden.
2. In ausgewählten Bereichen der ganzzahligen und konvexen Optimierung, sowie für Optimierungsprobleme unter Unsicherheit sollen bislang nur theoretisch beschriebene Ansätze praxistauglich gemacht und neue Algorithmen entwickelt werden. Die angestrebten Entwicklungen basieren auf konkreten Anwendungsfällen und Beispieldaten der Projektpartner und alle Ergebnisse sollen frei zugänglich gemacht werden.
Der praktische Nutzen des Quantenvorteils
Gefangene-Ionen-Quantenprozessoren haben den Vorteil der „Alle-zu-Alle-Konnektivität“ und haben Gatteroperationen und Kohärenzzeiten von höchster Güte. Im Projekt ATIQ werden zuverlässige Quantencomputer-Demonstratoren auf der Basis gefangener Ionen für komplementäre Anwendungsfälle entwickelt, darunter Quantenchemie, Optimierungsprobleme mit vollständig parallelisierbaren Gattern und Kreditrisikozuweisung. Das Ziel: einen Quantenvorteil zu demonstrieren, der einen praktischen Nutzen hat.
Auf dem Weg dorthin gibt es drei zentrale technologische Herausforderungen, die ATIQ angehen wird:
Ausrichtungsfreie optische Präparation, Manipulation und Auslesung, zuverlässige in die Falle integrierte kryogene Elektronik und verlässliche Fallentechnologie und Echtzeit-Steuerung und -Automatisierung für den 24/7-Betrieb und Nutzerzugriff.
Wo es sinnvoll ist, werden diese Herausforderungen im Rahmen einer Hardware-Software-Co-Design-Strategie angegangen, um die Algorithmen und Compiler auf die Eigenschaften der Quantencomputer-Hardware zuzuschneiden und die Hardware-Architektur für bestimmte Algorithmen zu optimieren.
Innerhalb von 30 Monaten wird eine erste Generation von Demonstratoren mit einem 24/7-Benutzerzugriff für 10 Qubits und >99% Güte im Alle-zu-Alle- Gatter-Betrieb zur Verfügung stehen, einschließlich hybrider Rechenfähigkeiten durch eine Verbindung zu einem HPC. Zum Ende des Projekts wird die Leistung der Systeme auf 40+ Qubits erhöht, mit Single- und Multi-Qubit-Gatter-Güten von über 99,9 % bzw. 99,5 %.